I Hear America SingingSeit mittlerweile 15 Jahren erscheinen in der Edition Salzburger Festspieldokumente Mitschnitte von Höhepunkten aus acht Jahrzehnten Salzburger Festspielgeschichte, die im Archiv des Österreichischen Rundfunks aufbewahrt werden. Die Veröffentlichungen dieses Sommers stehen, wie das Festival selbst, meistenteils im Zeichen Mozarts, aber keineswegs ausschließlich: Angefangen mit den Liederabenden erscheint bei ORFEO nicht nur eine Zusammenstellung von Mozart-Liedern, die zwischen 1958 und 1984 in Soloabenden von Irmgard Seefried, Ingeborg Hallstein, Helen Donath, Edith Mathis, Edita Gruberova, Peter Schreier und Walter Berry zu hören waren (
Ein vergleichbar ambitioniertes, zugleich mitreißendes Programm präsentierte 2005 auch Diana Damrau bei ihrem bejubelten Einstand in Salzburg als Liedinterpretin, der umgehend den Weg auf Tonträger gefunden hat (
Demgegenüber hat es – zum Leidwesen vieler Fans, die lange darauf gewartet haben – fast 50 Jahre bis zum Erscheinen einer Opernaufnahme gedauert, die wie Thomas Hampsons amerikanisches Liedprogramm den früheren Dialog europäischer Musikkultur mit der jenseits des Atlantiks widerspiegelt:
Sameul Barber: VanessaSamuels Barbers erste Oper Vanessa (
Wie variabel die Sichten auf Mozart in der Festspielgeschichte ausfallen, belegt die Zusammenstellung vier höchst unterschiedlicher Interpretationen vom
Violinkonzert A-Dur KV 219 zwischen 1956 und 1973 (
Drei große Mozart-Sängerinnen, nicht im direkten Rollenvergleich, aber doch auf einer CD (
Hohen Vergleichs- und Unterhaltungswert bietet die, nach den eingangs erwähnten Mozart-Liedern und dem vierfachen Violinkonzert dritte Digibox, die
Klaviersonaten (C 712 062 I) von Mozart in der Interpretation von sieben legendären Pianisten enthält: Claudio Arrau, Glenn Gould, Shura Cherkassky, Wilhelm Backhaus, Emil Gilels, Sir Clifford Curzon und last but not least Clara Haskil, deren einziger Soloabend bei den Salzburger Festspielen von 1957 auf einer weiteren ORFEO-Neuheit zu hören ist.
Hans Knappertsbusch besaß nicht zu Wagner, sondern auch zu dessen Antipoden im Konzertsektor, Johannes Brahms und Anton Bruckner, eine besondere Affinität. Am Pult der Wiener Philharmoniker ist er über Jahrzehnte dieser Leidenschaft nachgegangen, im Wiener Musikverein und eben auch bei den Salzburger Festspielen, in der Nachkriegszeit von 1949 bis 1955. Zur Hälfte bereits zuvor greifbar liegt Knappertsbusch letztes Salzburger Konzert mit einem reinen Brahms-Programm vom 26. Juli 1955 (C 329 062 I) nun vollständig und neu restauriert vor. Frappierend, wie der große Kammermusiker und „Mozartianer“ Curzon, der an diesem Abend sein Salzburger Festspieldebüt gab, als auch die Orchestermusiker äußerst konzentriert und unter permanenter Hochspannung auf Knappertsbuschs zupackende Lesart eingehen. Anton Bruckners 7. Sinfonie in E-Dur (C 655 061 B) sechs Jahre vorher belegt, dass Knappertsbusch ein genaues Gespür für die architektonischen Ausmaße der Komposition besaß, oder, wie Alexander Witeschnik schrieb, als einer der wenigen Großen noch den Schlüssel zu Bruckners Himmelreich besaß.