ORFEO International – Pressetexte

Wichtige Veröffentlichungen kurz vorgestellt

Mai 2007

Salzburger Festspieldokumente 2006

I Hear America Singing
I Hear America Singing
Seit mittlerweile 15 Jahren erscheinen in der Edition Salzburger Festspieldokumente Mitschnitte von Höhepunkten aus acht Jahrzehnten Salzburger Festspielgeschichte, die im Archiv des Österreichischen Rundfunks aufbewahrt werden. Die Veröffentlichungen dieses Sommers stehen, wie das Festival selbst, meistenteils im Zeichen Mozarts, aber keineswegs ausschließlich: Angefangen mit den Liederabenden erscheint bei ORFEO nicht nur eine Zusammenstellung von Mozart-Liedern, die zwischen 1958 und 1984 in Soloabenden von Irmgard Seefried, Ingeborg Hallstein, Helen Donath, Edith Mathis, Edita Gruberova, Peter Schreier und Walter Berry zu hören waren (C 709 062 I). Mit den Zyklen I hear America Singing aus dem Jahr 2001 (C 707 062 I) und Verboten und verbannt von 2005 (C 708 061 B)werden überdies zwei wichtige Projekte dokumentiert, mit denen Thomas Hampson auf ein reichhaltiges Repertoire der Spätromantik und der frühen Moderne aufmerksam gemacht hat, dessen Verbreitung in der Vergangenheit ideologisch-politische Gründe, in der Gegenwart mitunter Ahnungslosigkeit der Programmgestalter weiterhin verhinder(te)n.

Ein vergleichbar ambitioniertes, zugleich mitreißendes Programm präsentierte 2005 auch Diana Damrau bei ihrem bejubelten Einstand in Salzburg als Liedinterpretin, der umgehend den Weg auf Tonträger gefunden hat (C 702 061 B) und zu dem bereits im Frühjahr diesen Jahres eine gesonderte Presseaussendung erfolgte.

Demgegenüber hat es – zum Leidwesen vieler Fans, die lange darauf gewartet haben – fast 50 Jahre bis zum Erscheinen einer Opernaufnahme gedauert, die wie Thomas Hampsons amerikanisches Liedprogramm den früheren Dialog europäischer Musikkultur mit der jenseits des Atlantiks widerspiegelt: Sameul Barber: Vanessa
Sameul Barber: Vanessa
Samuels Barbers erste Oper Vanessa (C 653 062 I), die 1958 als europäische Erstaufführung auf dem Salzburger Spielplan stand und neben dem illustren Sängerensemble – den Stars der Uraufführung, Eleanor Steber, Rosalind Elias und Nicolai Gedda – den luxuriösen Klang der Wiener Philharmoniker unter Dimitri Mitropoulos aufbieten konnte; ein interessanter Kontrapunkt zum Projekt „Mozart 22“, als die der aktuelle Zyklus aller Mozart-Opern am Geburtsort des Jubilars präsentiert wird. In den letzten Jahren hat seine erste Opera seria, Mitridate, rè di Ponto (C 703 062 I), immer größeren Anklang gefunden, wie auch bei der Mozart-Woche 1997, die mit Bruce Ford, Cyndia Sieden, Christiane Oelze und Vesselina Kasarova ein ebenso homogenes wie stilgewandtes Ensemble versammelte, das Sir Roger Norrington am Pult der Camerata Salzburg zu einer in jeder Hinsicht zeitgemäßen Mozart-Aufführung animierte.

Wie variabel die Sichten auf Mozart in der Festspielgeschichte ausfallen, belegt die Zusammenstellung vier höchst unterschiedlicher Interpretationen vom
Violinkonzert A-Dur KV 219 zwischen 1956 und 1973 (C 713 062 I), elegant und uneitel dargeboten von Arthur Grumiaux und dem Mozarteum Orchester unter Bernhard Paumgartner, bereits ganz dem Ideal der Klangrede verschrieben Erica Morini unter George Szell mit dem Orchestre National de la RTF, impulsiv und stürmisch von Nathan Milstein und Karl Böhm am Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden und zu guter Letzt als Primus inter pares von Wolfgang Schneiderhan mit den Wiener Philharmonikern – Vergleichsmaterial für Kenner und Liebhaber.

Drei große Mozart-Sängerinnen, nicht im direkten Rollenvergleich, aber doch auf einer CD (C 705 061 B) lassen sich im Singspiel Bastien und Bastienne und in der Musik zum Schauspieldirektor, bewundern: die junge Ileana Cotrubas im idyllischen Schäferspiel sowie Edita Gruberova und Krisztina Laki im Primadonnenwettstreit, deren stimmliche Vorzüge unter der umsichtigen Leitung des Mozarteum Orchesters durch Leopold Hager vollauf zu Geltung kommen.

Hohen Vergleichs- und Unterhaltungswert bietet die, nach den eingangs erwähnten Mozart-Liedern und dem vierfachen Violinkonzert dritte Digibox, die
Klaviersonaten (C 712 062 I) von Mozart in der Interpretation von sieben legendären Pianisten enthält: Claudio Arrau, Glenn Gould, Shura Cherkassky, Wilhelm Backhaus, Emil Gilels, Sir Clifford Curzon und last but not least Clara Haskil, deren einziger Soloabend bei den Salzburger Festspielen von 1957 auf einer weiteren ORFEO-Neuheit zu hören ist.

Hans Knappertsbusch besaß nicht zu Wagner, sondern auch zu dessen Antipoden im Konzertsektor, Johannes Brahms und Anton Bruckner, eine besondere Affinität. Am Pult der Wiener Philharmoniker ist er über Jahrzehnte dieser Leidenschaft nachgegangen, im Wiener Musikverein und eben auch bei den Salzburger Festspielen, in der Nachkriegszeit von 1949 bis 1955. Zur Hälfte bereits zuvor greifbar liegt Knappertsbusch letztes Salzburger Konzert mit einem reinen Brahms-Programm vom 26. Juli 1955 (C 329 062 I) nun vollständig und neu restauriert vor. Frappierend, wie der große Kammermusiker und „Mozartianer“ Curzon, der an diesem Abend sein Salzburger Festspieldebüt gab, als auch die Orchestermusiker äußerst konzentriert und unter permanenter Hochspannung auf Knappertsbuschs zupackende Lesart eingehen. Anton Bruckners 7. Sinfonie in E-Dur (C 655 061 B) sechs Jahre vorher belegt, dass Knappertsbusch ein genaues Gespür für die architektonischen Ausmaße der Komposition besaß, oder, wie Alexander Witeschnik schrieb, als einer der wenigen Großen noch den Schlüssel zu Bruckners Himmelreich besaß.

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