C 886 142 IIn den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts gehörte Birgit Nilsson mit ihrem kraftvollen und zugleich an Zwischentönen reichen Sopran zweifellos zu ihnen. An der Wiener Staatsoper sang sie die Elektra erstmals im Jahr 1965 und der Mitschnitt dieser Premiere (einer Wieland-Wagner-Inszenierung) liegt nun bei Orfeo vor. Am Pult stand kein Geringerer als Karl Böhm, dessen enger Bezug zu Strauss’ Opernschaffen nicht nur durch die Uraufführung der ihm gewidmeten Daphne hinreichend belegt ist. Mit Nilsson und Böhm wurde die Elektra-Aufführung der Wiener Staatsoper 1965 zu einem musikalischen Triumph, bei dem nicht nur die eruptive Gewalt der Klangmassen dieses antiken Rachedramas voll zum Tragen kam, sondern auch die fein von Strauss aus dem Text entwickelten psychologischen Details. Ein Garant hierfür war, neben dem in allen Stimmen brillant musizierenden Orchester der Wiener Staatsoper, die bis in die kleineren Partien homogene Sängerbesetzung, die selbstverständlich neben Birgit Nilsson von den beiden anderen weiblichen Hauptcharaktere dominiert wurde: zum einen von Leonie Rysanek, die die sehnsuchtsvolle Chrysothemis mit ihrem leuchtkräftigen Sopran zu einer ihrer Paradepartien machte und einem idealen Gegenpol zu Nilssons Heroine machte. Als Widersacherin in der abgründigen Mutterrolle der Klytämnestra brillierte Regina Resnik mit ihrem dunkleren Timbre. Für den Kurzauftritt als ihr ehebrecherischer Geliebter luxuriös besetzt trat der legendäre Heldentenor Wolfgang Windgassen als Aegisth in Erscheinung, und als Orest blieb Eberhard Waechter mit seinem unverwechselbaren Bariton ebenfalls keine Nuance dieser wichtigen, vom Schicksal getriebenen Figur schuldig.